Die Walser

Gafien – einer der ersten Siedlungsplätze der Walser im Tal

Die Geschichte der Walser

Bedingt durch seine Siedlungsgeschichte ist St. Antönien ein «Walserdorf». Sprachlich kommt «Walser» von den «Wallisern» her. Sie waren die deutschsprachigen bergbäuerlichen Siedler, die im Hochmittelalter das Oberwallis verliessen und sich vor allem im nordöstlichen Alpenraum, im romanisch sprechenden Gebiet, niederliessen.  Weder waren sie auf der Flucht noch vom Krieg bedroht oder vertrieben, auch war nicht – wie man früher annahm – eine Überbevölkerung im Oberwallis der Grund für diese Migrationsbewegung. Es waren die mächtigen Herren von Vaz, die diesseits und jenseits der Alpen ausgedehnte Ländereien besassen und ihre Oberwalliser Untertanen einluden, neue Siedlungsgebiete zu erschliessen und damit die Hoheitsrechte des Landesherrn zu festigen. Attraktiv waren die zugesagten Freiheiten am neuen Ort. Dazu gehörte ein sog. «Erblehensbrief», einem Pachtvertrag ähnlich, demgemäss das Heimwesen mit den Ländereien ohne Erhöhung von Abgaben an die nächste Generation weitergegeben werden konnte, vor allem jedoch die niedere Gerichtsbarkeit mit der freien Wahl eines Ammanns. «Freiheit» wurde zum Schlüsselwort für das Walser Selbstverständnis.

Um 1280 erfolgte in mehreren Schüben die Besiedlung von Davos aus. Über Schlappin bei Klosters stiessen die Walser bis ins heutige St. Antönien vor. Zunächst wurden Wohnstätten in Gafien, Partnun und auf Aschüel oberhalb vom Platz gegründet. Das Hochtal war zu diesem Zeitpunkt in bescheidenem Rahmen lediglich als Alpgebiet genutzt, vor allem oberhalb der Baumgrenze.

Schrägzäune mit ihrem hohen Holzbedarf trugen zur Lawinengefahr bei.

Holger Finze-Michaelsen, Buchautor und ehemaliger Pfarrer von St. Antönien

Charakteristisch für die Walser sind neben ihrer deutschen Sprache die Streusiedlung der Höfe und ihre ausgedehnte Rodungstätigkeit mit dem Ziel, die Weidefläche für das Vieh zu vermehren. Zahlreiche Flurnamen belegen Letzteres bis heute: etwa Rüti, Rütelti, Rütland (vom Ausreuten), Schwendi (vom Einritzen der Rinde ringsum, was zum Absterben des Baumes führt) oder Brend (vom Abbrennen des Waldes). Darüber hinaus wurde eine riesige Menge Holz für den täglichen Bedarf benötigt: nicht nur für den Hausbau, die Befeuerung und die Herstellung von landwirtschaftlichen Geräten, sondern vor allem für die vielen Kilometer Schrägzäune zum Abtrennen des Weidelandes, die Wasserleitungen und Hausrat bis hin zum Löffel. Die daraus folgende Dezimierung des Waldes insbesondere an den steilen Hängen führte zur zunehmenden Bedrohung durch Lawinen und ab 1480 zur Abfassung von Waldbannbriefen, denen jedoch nicht überall Erfolg beschieden war. Die Lawinengefahr gehörte seitdem zu jedem Winter.

Den Mittelpunkt ihrer Siedlung nannten die Walser jeweils «Platz». Hier wurde um 1350 eine erste Kirche errichtet und dem Hl. Antonius geweiht. Seitdem wurde der Ort «Santt Anthöny in den Alpen» genannt. Walserdeutsch mit seinen Besonderheiten (z. B. «Dörfji» für Dörfchen oder «Bartlischhus» für Bartlis Haus) ist bis heute die vorherrschende Dialektform bei der einheimischen St. Antönier Bevölkerung.

Die Kulturgruppe St. Antönien beteiligt sich regelmässig an Veranstaltungen und Treffen der Internationalen Walservereinigung und ist mit der Walservereinigung Graubünden in Verbindung.