Die Kirche

Blick in die Kirche nach Osten

Die Geschichte der Kirche von St. Antönien

Die St. Antönier Kirche ist das älteste und über Jahrhunderte das einzige steinerne Gebäude der Talschaft. Bereits um 1370 wurde hier von den Walsern ein (gegenüber dem heutigen kleineres) Gotteshaus errichtet und damit das Siedlungszentrum am «Platz» geschaffen. Das Tal, zunächst schlicht als wildnuss und als Nachbarschaft in den alpen bezeichnet, erhielt seinen Namen vom Schutzpatron der Kirche her, dem Hl. Antonius (um 252-356), einem Ägypter, der als Begründer des christlichen Mönchtums gilt und in der Folge gern zum Schutz der Bauern und ihrer Nutztiere angerufen wurde. Die Kaplanei St. Antönien, die die gesamte Talschaft zu betreuen hatte, war der Mutterkirche St. Petrus in Jenaz zugeordnet, was auf weltliche Herrschaftsverhältnisse im Spätmittelalter zurückging.

Im Zeitalter des allgemeinen Kirchenbaubooms auch im Prättigau wurde hier die Kirche insbesondere im Chor erweitert und der Turm erhöht. 1493 erhielt sie damit die heutige räumliche Ausdehnung. An der Nordseite war sowohl ein Passionszyklus an die Wand gemalt wie auch Ritter Georg im Kampf gegen den Drachen. Die Kirche erhielt ein dreistimmiges Geläut. Der Schlussstein des Chorbogens zeigt das sog. Antonius-Kreuz (T-Form), das später in verschiedenen Variationen auch zum Wappen der drei politischen Gemeinden Castels, Rüti und Ascharina wurde (aufgemalt in der Chorfront).  All das war für eine nicht vermögende Berggemeinde eine unermesslich grosse Investition. Der heutige Taufstein ist eine Nachbildung desjenigen von 1493.

Der Schlussstein des Chorbogens zeigt das sog. Antonius-Kreuz (T-Form), das später in verschiedenen Variationen auch zum Wappen der drei politischen Gemeinden Castels, Rüti und Ascharina wurde (aufgemalt in der Chorfront). 

Holger Finze-Michaelsen, Buchautor und ehemaliger Pfarrer von St. Antönien

So könnte die Kirche vor der Erweiterung 1493 ausgesehen haben.

1523, allenfalls zu Beginn des Jahres 1524 entschied sich die Pfarrei unter dem Einfluss ihres aus dem Montafon stammenden Kaplans Jakob Spreiter zur Durchführung der Reformation, als erste Gemeinde im Prättigau und im heutigen Graubünden. Zwar wurden die Altäre beseitigt, die Bilder an den Wänden blieben jedoch bis ins 19. Jahrhundert hinein unangetastet in der Meinung, die Kirche bleibe so bei kriegerischen Überfällen aus dem katholischen Montafon verschont. In der Tat wurden im Rahmen der kriegerischen Auseinandersetzungen 1621/22 lediglich vier Häuser von den österreichischen Truppen verbrannt, die Kirche jedoch nicht angetastet. Man machte sich lediglich daran, das Geläut «aus dem Turm zu werfen», was jedoch dank des beherzten Eingreifens eines St. Antöniers, der die Turmleiter entfernte, nur bei der kleinen Glocke gelang. Sie wurde als Kriegsbeute über die Pässe ins Montafon geführt. Erst 2022 konnte in Erfahrung gebracht werden, dass sie die dortigen Glockeneinschmelzungen zweier Weltkriege überdauert hatte und bis heute im Turm der Kirche von Gortipohl hängt. Auf die Möglichkeit, sich im Bedrohungsfalle in der Kirche verbarrikadieren zu können, weisen in den beiden Grenzkirchen von Schuders und St. Antönien auch die Schächte für Balkenlagen auf der Innenseite des Eingangs hin. Von 1643 ist die schlichte Kanzel. 1912 vermachte der nach Dubuque/Iowa ausgewanderte, erfolgreiche Geschäftsmann Christian Lötscher einen Besuch in seiner St. Antönier Heimat. Als er die stark vom Zahn der Zeit in Mitleidenschaft gezogene Kirche sah, erklärte er bereit, die Hälfte künftiger Renovationskosten zu übernehmen. 1913 erfolgte diese Renovation. Zum Dank wurde auf der neu angeschafften kleinen Glocke, die nach fast dreihundert Jahren wieder ein dreistimmiges Geläute herstellte, sein Name angebracht.

In der einstigen Sakristei auf der Nordseite (hinter der Eisentür) befinden sich Fächer, in die beim einbrechenden Winter die vom Friedhof genommenen hölzernen Grabtafeln eingelagert werden konnten. Ebenfalls auf der Nordseite (separater Zugang) befindet sich das einstige Beinhaus. Trotz der insbesondere in Castels am Platz herrschenden grossen Lawinengefahr ist die Kirche nie zerstört worden. Jedoch fing der Turm bei der grossen Feuersbrunst vom 13. August 1839 Feuer, konnte jedoch gerettet werden. Damals verbrannte auch das der Kirche gegenüber liegende Pfrundhaus. Bereits im Jahr darauf konnte am gleichen Ort das bis heute bestehende (allerdings privat genutzte) kombinierte Pfrund- und Schulhaus der Talschaft eingeweiht werden.

Die um 1730 gebaute Winterthurer Hausorgel

Nachdem über Jahrhunderte der gottesdienstliche Gesang durch einen Lehrer der Dorfschule geleitet und ab 1865 diese Funktion mit einem Harmonium wahrgenommen wurde, erklingt nun eine Orgel in der Kirche. Sie hat eine besondere Geschichte. Erbaut um 1730, stand sie zunächst als Hausorgel bei Ratsherr Steiner in Winterthur, wurde von Klosters erworben und im Dezember 1766 auf vier Schlitten ins Prättigau transportiert, wo sie am Sylvesterabend erstmals in der Kirche erklang. Oben war ein Kruzifix angebracht, was in der Gemeinde für erheblichen Streit sorgte und schliesslich zu dessen Abnahme führte. Als Klosters 1912 eine neue, grössere Orgel anschaffte, wurde die Hausorgel für englische Gottesdienste im Grandhotel «Vereina» aufgestellt. 1959 wurde sie an die Orgelbaufirma Metzler & Söhne in Dietikon gegeben mit der Auflage, sie gegen Erstattung der Renovationskosten einer Gemeinde zu schenken. St. Antönien als die 16. Angefragte erklärte sich dank namhafter Spenden dazu bereit. 1968 erklang die Orgel hier erstmals.

Das St. Antönier Gotteshaus hat seinen besonderen Charakter als Bergkirche durch ihren schnörkellosen, «schmucklosen Schmuck», die schlichten Bänke aus rohem Holz und das gebrochene Licht aus den grossen, gotischen Fensterbögen bewahrt. Es ist ein Stück Geschichte des einstmals so genannten «wilden Tales», und ein Ort, der mit seiner ersten reformierten Gemeinde Geschichte geschrieben hat.