Tourismus

St. Antönien gehört seit 2021 zum internationalen Kreis der «Bergsteigerdörfer».

Das «Hotel und Kurhaus Madrisa», verbrannt 1915

Die Geschichte des Tourismus von St. Antönien

Als 1889 die Bahnlinie Landquart-Klosters fertiggestellt und der einstige Holperpfad Küblis-St. Antönien durchs Schanielatobel 1899 durch eine breite «Communalstrasse» von Pany aus ersetzt wurde, ergänzt durch eine tägliche Postkutschenverbindung, nahm der Sommertourismus in St. Antönien steilen Aufstieg. 2 ½ Stunden dauerte die Fahrt bergwärts. Vor allem städtische Gäste, auch aus dem Ausland, kamen in Scharen und logierten den ganzen Sommer lang in einer der «Pensionen» oder einem der gut ausgerüsteten Hotels. Auch Privatleute, sogar der Pfarrer, stellten Zimmer in ihrem Haus für Gäste zur Verfügung. Am Platz war das alte Walserhaus neben der Kirche zur «Pension Lötscher-Dönz» vergrössert worden (seit 1902 «Hotel Rätia»), weiter oben stand die «Pension Alpenrose» (1901 erweitert zum «Weissen Kreuz», an seiner Stelle heute das Hotel «Madrisajoch). In Partnun bot schon in weit früherer Zeit das «Berghaus Sulzfluh», einst eher eine einfache Berghütte, eine Unterkunftsmöglichkeit für Gäste. Daneben entstanden etliche Wirtschaften.

Eine traurige Geschichte hatte das 1894 errichtete noble «Hotel und Kurhaus Madrisa», der grösste Logiegeber in St. Antönien mit fünf Gebäuden, etwa hundert Meter vor der heutigen Ortstafel oberhalb der Strasse gelegen. Am 3. September 1915 brach wegen eines defekten Kamins im Dachstock ein Feuer aus und legte dieses Flaggschiff des St. Antönier Tourismus in Schutt und Asche. Ein Hotel dieser Dimension wurde nie wieder errichtet.

Hotelgäste um 1920 auf der Rückkehr von einer Bergtour auf die Sulzfluh

Der aufkommende Autoverkehr wurde von der einheimischen St. Antönier Bevölkerung zunächst mehrheitlich abgelehnt, wie in ganz Graubünden. Man befürchtete Kollisionen mit Pferdefuhrwerken, verwies auf die für diese Art von Fortbewegung ungeeigneten Bergstrassen, verschiedentlich machte man sich auch Sorgen um die freilaufenden Hühner. Von 1919-1925 fanden sieben Bündner Volksabstimmungen zu diesem Thema statt, erst im Sommer 1925 konnte man sich knapp zur Freigabe des Autoverkehrs auf den Bündner «Strassen», besser: Wegen durchringen. Der Tourismus war dabei das entscheidende Argument. In St. Antönien zählte man damals im Sommer um die 150 mehrwöchige Dauergäste, immerhin knapp so viel wie die Talbevölkerung. Kritische Stimmen gab es auch, als es um 1926 um die Einführung einer festen Postautoverbindung ging. Der damalige Pfarrer legte sich öffentlich mit den Hoteliers an, indem er erklärte: «Wer hierher kommen will, kommt grundsätzlich auch ohne Auto.» Er sollte nicht recht behalten.

Hundert Jahre später hat St. Antönien nicht nur Sommer-, sondern auch Herbst- und Wintertourismus, verfügt über einen Skilift, eine weite Winterlandschaft für Skitouren, zwei Klettersteige, neben der täglich mehrmaligen Postautoverbindung auch einen saisonalen Bus bis hoch zu den Lawinenverbauungen (eine der grössten Anlagen der Schweiz) und bis Partnun, Trottinettfahrten bis nach Küblis, ein weitverzweigtes Netz von ausgeschilderten Wanderwegen bis hin zu den stark frequentierten SAC-Hütten in den Bergen, eine breite Palette von Unterkunfts- und Verpflegungsmöglichkeiten, das anschaulich gestaltete «Laubänähus» zum Thema «Leben mit Lawinen», das im Aufbau befindliche «Haus der Volksmusik» mit vielen Kursen und Veranstaltungen. In St. Antönien finden zudem immer wieder Lager von Schulen und Forschungsexkursionen von Hochschulen zur Geologie, Flora und Fauna statt. Im Unterschied zu früher überwiegen heute allerdings die Tagesgäste, verbunden mit starkem Individualverkehr, der zeitweise als Belastung empfunden wird und die Landschaft strapaziert.

Dass St. Antönien 2021 in den Kreis der internationalen «Bergsteigerdörfer» eintrat, ist jedenfalls ein Zeichen für die auch touristisch wegweisende Devise: «Weniger ist mehr». Die strengen Kriterien, in diesen Kreis aufgenommen zu werden, lauten kurz gesagt: «Nähe ohne Respektlosigkeit, Genuss auf hohem Niveau, Bewegung aus eigener Kraft, Anregung ohne Hektik, Belebtheit ohne Lärm». Neben den zuständigen Institutionen können alle, die in St. Antönien Erholung suchen, ihren Beitrag im Sinne dieser Leitlinien leisten. Damit das Hochtal «hinter dem Mond links» sein charakteristisches Gepräge und damit auch seine Attraktivität bewahrt.